Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften in Schleswig-Holstein

Im Schleswig-Holsteinischen Landtag wird derzeit über die Änderung einiger Vorschriften auf komunaler Ebene diskutiert. Eine Änderung dieser Vorschriften würde zu deutlichen Verschlechterungen bei der politischen Bürgerbeteiligung führen. Karl-Martin Hentschel (Mehr Demokratie Schleswig-Holstein) hat zu dem Gesetzesentwurf eine Stellungnahme verfasst. 

  • Stellungnahme von Mehr Demokratie Schleswig-Holstein

    31. Januar 2023

  • Ergänzende Stellungnahme des Kreises Nordfriesland

    31. Januar 2023

An
Jan Kürschner
Vorsitzender des Innen- und Rechtsausschusses


Stellungnahme zur schriftlichen Anhörung des Innen- und Rechtsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Landtags zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften Drucksache 20/377

Sehr geehrter Herr Kürschner, sehr geehrte Damen und Herren,
Vielen Dank für die Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme im Rahmen der Anhörung zur Änderung der kommunalrechtlichen Vorschriften.

 

1. Vorbemerkung

Mehr Demokratie e.V. ist weltweit der größte Fachverband für direkte Demokratie. Der Verband beschäftigt sich seit über 30 Jahren damit, die Demokratie in Deutschland weiterzuentwickeln und ihre Akzeptanz zu erhöhen. Dabei arbeiten wir eng zusammen mit Wissenschaftlern zahlreicher Hochschulen, mit Politikern aller demokratischen Parteien, mit Journalisten, NGOs, Verbänden, Parteien sowie mit Parlamenten von der kommunalen Ebene bis zum Bundestag und Europaparlament. Schwerpunkt unserer Arbeit sind insbesondere die Weiterentwicklung der direkten  Demokratie, der Rechte der Parlamente, der Gewaltenteilung, der Bürgerbeteiligung, des Wahlrechtes, der Transparenzgesetzgebung und andere Fragen der Demokratie.

Diese Stellungnahme geht nur auf die Veränderung der Gesetzgebung zu Bürgerbegehren in Artikel 1 Nummer 1 und in Artikel 2 Nummer 1 des Gesetzentwurfes Drucksache 20/377 ein. Die Änderung in Artikel 1 Nummer 3 und 4 sowie in Artikel 2 Nummer 3 und 4 (Erweiterung der kommunalen Beiräte) wird von uns begrüßt. Daher verzichten wir auf eine Stellungnahme. Zu der Änderung in Artikel 1 Nummer 2 und in Artikel 2 Nummer 2 (Fraktionsgrößen in Städten und Kreistagen) nehmen wir keine Stellung.

 

2. Gesamtbewertung

Die vorgeschlagenen Änderungen der Gemeinde- und Kreisordnung sind nach gründlicher Prüfung der Sachlage nicht begründet und führen zu deutlichen Verschlechterungen der Beteiligung der Bürger in den Kommunen. Damit würde Schleswig-Holstein im Ranking der Beteiligungsfreundlichkeit bundesweit zurückfallen.

Die Regierungsfraktionen verfolgen mit den geplanten Änderungen aus unserer Sicht auch nicht das Ziel, die Verfahren zu vereinfachen und bürgerfreundlicher zu gestalten, sondern sie wollen die Bürgerbeteiligung massiv einschränken. Insbesondere Bürgerbegehren gegen Gemeinderatsbeschlüsse sollen nahezu vollständig unterbunden werden. Dabei übersehen sie die Chancen, die Bürgerbegehren zur Konfliktlösung und zur Bürgerbindung an die Demokratie in den Kommunen und Städten eröffnen.

Daher führen die vorgelegten Änderungen auch nicht zu einer Stärkung der Demokratie. Wird das Gesetz so verabschiedet, hätte das schwerwiegende Folgen. Dann könnten nach unserer Analyse kaum noch Bürgerbegehren in Schleswig-Holstein durchgeführt werden. In einer Zeit, in der inzwischen jeder Zweite an der Demokratie in Deutschland zweifelt (Umfrage Monitor September 2022), ist das genau das falsche Signal. Das Vorhaben der Regierungskoalition stößt daher bei uns auf großes Befremden.

Sollte das Gesetz wie vorliegend beschlossen werden, dann wäre dies auch bundesweit eine Wende in der Geschichte des Ausbaus der Beteiligungsrechte, die eine entsprechende Signalwirkung hätte. Schleswig-Holstein würde weit über die Landesgrenzen hinaus eine ohnehin schon unter Druck stehende Demokratie mit den falschen Signalen belasten.

1. Stand und Bewertung der Ausgangslage: Die heutige Gesetzgebung in Schleswig-Holstein

Der Paragraf 16g der Gemeindeordnung und der Paragraf 16f der Kreisordnung sind in der jetzigen Fassung zurückzuführen auf eine Volksinitiative von Mehr Demokratie e.V., Bündnis 90/Die Grünen, Die LINKE sowie weiteren Verbänden in den Jahren 2011 und 2012, die nach Gesprächen mit dem Landtag im Jahre 2013 durch eine Neufassung der Gemeindeordnung und der Kreisordnung weitgehend übernommen wurde. Wir haben die Fassung von 2013 daher überwiegend positiv bewertet. Im Vergleich der Bundesländer lag Schleswig-Holstein seitdem hinter Bayern und Hamburg in der Spitzengruppe der Länder mit vergleichsweise bürgerfreundlichen Regelungen (siehe Volksentscheidsranking 2021).

In Folge dieser Neuordnung hat die Zahl der Bürgerbegehren leicht zugenommen. Von 1990 bis 2013 waren es 17,2 Verfahren pro Jahr; von 2014 bis 2022 pro Jahr 20,5 Verfahren. Vor allem hat die Zahl der Bürgerbegehren, die für unzulässig erklärt wurden, hat deutlich abgenommen. Von 1990 bis 2013 waren 30,0 Prozent unzulässig, von 2014 bis 2022 waren nur noch 10,2 Prozent unzulässig. Insgesamt liegt die Zahl der jährlichen Bürgerbegehren pro Gemeinde oder Kreis in Schleswig-Holstein aber noch deutlich hinter Bundesländern wie Bayern zurück (Bayern: 126 Verfahren jährlich bei 2.127 Gemeinden und Kreisen).

Trotz der insgesamt positiven Bewertung besteht auch heute durchaus noch Verbesserungsbedarf: Die Einschränkung der Bürgerbegehren zur Bebauungsplanung sollte beseitigt werden. Zur Zeit sind nur Bürgerbegehren zu einem Aufstellungsbeschluss möglich. Der ist aber selten umstritten und erfolgt vor allem in kleinen Gemeinden oft einhellig. Die eigentliche Diskussion beginnt in der Regel erst mit der konkreten Vorlage des B-Planes. Deshalb sollte wie in Bayern der Ausschluss der B-Planung gestrichen werden. Dies würde auch zur Vermeidung von vielen Klagen gegen Bebauungspläne und zur Verfahrensbeschleunigung führen, da Bürgerbegehren eine Befriedungsfunktion haben und schnell zu Ergebnissen führen, während Klagen oft zu langwierigen Verzögerungen von Vorhaben führen können.

Wir würden vorschlagen, dass die Kostenschätzung nicht mehr die Voraussetzung für das Sammeln von Unterschriften sein sollte. Sie sollte wie in Rheinland-Pfalz von der Gemeinde erst im Rahmen ihrer Stellungnahme zum Bürgerentscheid erstellt werden. Das würde zu einer erheblichen Beschleunigung der Verfahren führen. Denn die Kostenschätzung erfordert nicht selten mehr als ein halbes Jahr, in Einzelfällen sogar bis zu einem Jahr Zeit.

Würde die Kostenschätzung erst nach der Unterschriftensammlung zusammen mit der Stellungnahme zum Bürgerentscheid erstellt,  würde die Rechtssicherheit der Beschlüsse der Ratsversammlungen und Kreistage schneller hergestellt und in der Folge auch die Verfahren erheblich beschleunigt werden.

Wir würden vorschlagen, den zweijährigen Bestandsschutz für Bürgerentscheide zu streichen. Erstens können immer neue Fakten entstehen, die eine Korrektur eines Bürgerentscheides ggf. auch durch die Gemeindevertretung nötig oder sinnvoll machen. Zum anderen wird die 2-Jahresfrist manchmal als Rechtfertigung aufgefasst, das Bürgerbegehren nach Ablauf der Bindungsfrist durch den Gemeinderat aufzuheben.

Wir würden vorschlagen, die Zustimmungsquoren bei Bürgerentscheiden wie in der Schweiz üblich abzuschaffen. Hohe Zustimmungsquoren führen regelmäßig zu einer geringeren und nicht zu einer höheren Beteiligung an der Abstimmung. Der Grund liegt darin, dass die Gegner eines Bürgerbegehrens dann darauf hoffen, dass mangels Bekanntheit des Bürgerentscheides das Quorum nicht erreicht wird. Dann stimmt zwar oft eine große Mehrheit dem Vorschlag zu, der Bürgerentscheid scheitert aber trotzdem unecht am nicht erreichten Quorum. In Schleswig-Holstein ist das bei den jetzigen Regelungen zum Glück nur selten der Fall (bislang scheitern nur 6% bislang unecht).

2. Politische Bewertung der vorgeschlagenen Neuregelungen

Seit über 30 Jahren wird die direkte Demokratie in den Kommunen und Ländern kontinuierlich ausgebaut. Von bundesweit 8900 kommunalen Bürgerbegehren wurden in Schleswig-Holstein 588 Begehren seit 1990 eingeleitet. Von diesen kamen etwa 60 Prozent auch zum Entscheid. Die neuen Regelungen werden insbesondere dazu führen, dass Bürgerbegehren gegen eine Entscheidung des Gemeinderates kaum noch möglich sind.

Anpassung an andere Bundesländer?

Die Innenministerin Sütterlin-Waack sprach Anfang November ’22 von einer „Anpassung“ der Regelungen an andere Bundesländer. Tatsächlich orientiert sich diese Anpassung aber nicht an den Entwicklungen in anderen Bundesländern, sondern vielmehr an sehr restriktive Regelungen in einzelnen Ländern. In den letzten Jahren wurden die Bürgerbegehren in vielen Bundesländern erleichtert – so gab es größere Reformen in Schleswig-Holstein (2013), Baden-Württemberg (2015) und Thüringen (2016). Kleinere Reformschritte gingen Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und – in den Jahren 2018 und 2019 – Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen. Diese Veränderungen haben dazu geführt, dass die Zahl der Bürgerbegehren gestiegen ist und die Zahl der unzulässigen Bürgerbegehren abgenommen hat. Während im restriktiven Saarland zuletzt noch 56,3% unzulässig waren, waren es im vorbildlichen Bayern nur 17,5%!

Der bundesweite Trend geht also zu mehr Verfahrenserleichterung. Gerade haben die unterschiedlichen Koalitionen in NRW und Niedersachsen erhebliche Erleichterungen von Bürgerbegehren in ihre Koalitionsverträge geschrieben. Erfreulicherweise stieg Schleswig-Holstein nach den Reformen 2013 auf Platz 3 auf im Bundesvergleich der beteiligungsfreundlichen Verfahren. Es ist nicht zu verstehen, dass in Schleswig-Holstein nun eine Anpassung nach „unten“ erfolgen soll.

Zur Begründung im Gesetzentwurf für die Reform

Die Gründe für die Reform der Regelungen für Bürgerbegehren, die im Gesetzentwurf genannt werden, sind weder stichhaltig noch ausführlich dargelegt. Als wesentlicher Grund wird die Befürchtung artikuliert, dass Bürgerbegehren Planungen und Entscheidungen des Gemeinderats beeinträchtigen:

„Die vorgeschlagenen Änderungen verfolgen das Ziel, Beteiligungsinteressen (…) und das kommunale Bedürfnis nach Beständigkeit von Entscheidungen und Planungen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.“

Auffällig ist insbesondere, dass die Begründung nicht mit Zahlen oder konkreten Beispielen belegt bzw. unterfüttert werden und auch die positiven Effekte von Bürgerbegehren hinsichtlich Planungssicherheit völlig unerwähnt bleiben, obwohl diese Effekt nachgewiesen sind. Insbesondere zur gravierenden Bauleitplanungseinschränkung sowie zur Anhebung der Unterschriftenquoren sowie der Zustimmungsquoren für Bürgerentscheide erfolgt keinerlei Begründung im Einzelnen.

Auch hier ist auffällig, dass nicht mit Zahlen oder konkreten Beispielen argumentiert wird, obwohl alle Bürgerbegehren seit über 30 Jahren von der Universität Wuppertal in ihrer Datenbank erfasst werden. Nach unseren Recherchen lassen sich die Aussagen nicht mit Zahlen begründen.

Zu viele Bürgerbegehren?

In 1106 Gemeinden in Schleswig-Holstein wurden in den neun Jahren seit der letzten Reform im Durchschnitt 20 Verfahren jährlich eingeleitet. Allerdings waren ein Teil davon Ratsbegehren – aher gab es von 2014 bis 2022 nur 17,3 Bürgerbegehren jährlich. Von diesen Begehren kamen etwas mehr als die Hälfte bis zum Bürgerentscheid, weil man sich oft bereits im Vorfeld einigte, der Antrag wom Gemeinderat übernommen wurde, oder weil das Begehren unzulässig war. Von den tatsächlich zur Abstimmung geführten Begehren gingen etwa zwei Drittel im Sinne der Initiatoren aus, so dass insgesamt nur ein 40 Prozent der Initiativen der Bürger dazu führte, dass die Mehrheit im Gemeinderat von den Bürgern überstimmt wurde. Das waren im Jahresschnitt also nur 7 Begehren in 1106 Gemeinden! Das kann kein Argument für zu viele Bürgerbegehren sein.

Insgesamt spricht diese Praxis in Schleswig-Holstein ein Lob für die Kommunalpolitik aus: In Schleswig-Holstein überwiegt die politische Konsenskultur und es kommt eher selten zu Konfrontationen in den Gemeinden. Wenn allerdings Interessenskonflikte zu Widerständen führen, dann sind Bürgerbegehren ein hilfreiches Rechtsmittel für die Gemeinden, weil sie Konflikte rechtssicher kanalisieren und so zur Klärung undPlanungssicherheit beitragen.

Bürgerbegehren und Planungsbeschleunigung

Bürgerbegehren sind durch Fristen zeitlich begrenzt und können binnen weniger Monate zur schnellen Entscheidungsfindung und damit zur Planungssicherheit beitragen. Es gibt viele Beispiele, in denen Bürgerentscheide (und Volksentscheide) langwierige Planungsprozesse beschleunigt haben. Aber die beste Planungsbeschleunigung ist die frühe informelle Öffentlichkeitsbeteiligung. Wer früh die Bürger an Planungsvorhaben beteiligt (z.B. durch losbasierte Bürgerräte) verhindert Frust und Protest und damit überhaupt das Entstehen von Widerständen. Frühe Beteiligung verbessert die Planung und bezieht die Kompetenz der ganzen Gemeinde mit ein.

Die von der Regierung gezielt eingesetzte Bürgerbeteiligung ermöglichte beispielsweise in Schleswig-Holstein eine erhebliche Verkürzung um Jahre beim Bau der Stromtrassen für Erneuerbare Energien.

Klimaschutz und Bürgerbegehren

Insbesondere für die Klimaschutzpolitik ist eine Verschlechterung der Bürgerbeteiligung kontraproduktiv. Denn viele Bürgerbegehren in Deutschland drehten sich in den letzten Jahren um das Thema Klimaschutz. Dazu gehörten zunehmend Forderungen nach einem kommunalen Klimaschutzplan, für zügige Klimaneutralität der Kommune, für den Ausbau des ÖPNV und von Fahrradwegen, aber natürlich auch für und wider den Bau von Windkraftwerken und Solarparks. Aktuelle Beispiel sind die Begehren für ein 365-Euro-Ticket in München, für einen stufenweisen Ausstieg aus Erdgas in der Augsburger Fernwärme, für den Ausstieg aus fossilen Energien der Stadtwerke Mannheim, für 100% Ökostrom der Bochumer Stadtwerke, für mehr Solarstrom in Rudolstadt, für fossilfreie Strom- und Wärmeversorgung in Potsdam.

Auch in Schleswig-Holstein ist diese Entwicklung festzustellen. Bürgerbegehren wie zuletzt das Klimabegehren in Flensburg, das einstimmig von allen Fraktion im Rat übernommen wurde, erleichtern der Politik die Einleitung der notwendigen Maßnahmen zum Klimaschutz der Städte und Gemeinden. Dutzende ähnliche Begehren sind zurzeit bundesweit in Arbeit – in Schleswig-Holstein u. a. in Lübeck, Bargteheide, Halstenbek und Husum. Dass in Schleswig-Holstein vergleichsweise weniger Bürgerbegehren zur Energiewende eingereicht wurden, lag sicher auch daran, dass die Akzeptanz der Klimaschutzpolitik durch die Bevölkerung in Schleswig-Holstein deutlich höher ist als in anderen Bundesländern. Verfahren gegen erneuerbare Energien waren in über 20 Jahren nur in fünf Fällen erfolgreich. Von einer relevanten Behinderung der Klimaschutzpolitik kann daher nicht die Rede sein.

3. Zu den einzelnen Änderungen

Bauleitplanungen und die geplante 2/3-Regelung

Die 2/3-Regelung wird praktisch die Mehrzahl der Bürgerbegehren zur Bauleitplanung unzulässig machen. Nach einer Auswertung der letzten vier Jahre betrafen 52 Prozent der Verfahren (45 von 87 Bürgerbegehren und Ratsreferenden) die Bauleitplanung. In 6 Bundesländern sind Bürgerbegehren zu Bauleitplanungen ohne Einschränkungen zulässig, in 4 Bundesländern – dazu gehört  Schleswig-Holstein – sind sie nur eingeschränkt zulässig, in 6 Bundesländern sind sie gar nicht zulässig. Die Bundesländer mit der aktivsten Bürgerbeteiligung sind Hamburg und Bayern. Grund dafür sind die moderaten Regelungen mit geringer Themeneinschränkung für die Durchführung von Bürgerbegehren.

Die Regelung, dass Begehren gegen Gemeinderatsbeschlüsse, die mit mehr als 2/3 der Stimmen gefasst werden, nicht mehr möglich sind, bedeutet eine erhebliche Verschlechterung der Situation. Gerade in den kleinen Kommunen wird die Aufstellung der Bebauungspläne meist einstimmig oder mit großer Mehrheit beschlossen, da es meist nur darum geht, wo ein B-Plan aufgestellt werden soll – und noch nicht, wie er konkret aussieht. Die vorgeschlagene Regelung würde also dazu führen, dass in vielen Fällen gegen die Aufstellung eines B-Plans überhaupt keine Bürgerbegehren mehr zulässig wären.

3-Jahresfrist für Korrekturbegehren

Die neue Sperre von drei Jahren für Bürgerbegehren, die das gleiche Thema betreffen, wird zu einer Aufhebung vieler Bürgerentscheide nach jeweils zwei Jahren führen. Denn der Gemeinderat kann heute schon ein erfolgreiches Begehren nach zwei Jahren aufheben und dann Fakten schaffen. Wenn die Bürger dann dagegen nicht erneut eine Bürgerbegehren starten können, bedeutet das oft das Aus für eine aktive Bürgergesellschaft.

Die neue Sperre von drei Jahren kann zudem für die Gemeinden und Kreise extrem hinderlich sein. Denn heute kann ein Bürgerentscheid auf Antrag der Ratsversammlung jederzeit wiederholt und korrigiert werden, wenn es gute Gründe dafür gibt. Künftig könnte ein Bürgerentscheid innerhalb der schon bestehenden Sperrfrist von zwei Jahren für ändernde Beschlüsse überhaupt nicht mehr geändert werden, selbst wenn die Faktenlage sich völlig geändert hat oder ein guter Kompromiss gefunden wurde.

3-Monatsfrist für kassatorische Bürgerbegehren

Die 3-Monatsfrist wird Bürgerbegehren gegen Ratsbeschlüsse weitgehend unmöglich machen, da nach dem Gesetzentwurf die Erstellung der Kostenschätzung nicht fristhemmend wirkt. Wenn die  Unterschriften bereits nach 3 Monaten eingereicht werden müssen, bleibt nach der Bildung der Initiative, Formulierung und Einreichung und der Erstellung der Kostenschätzung der Gemeinde kaum noch Zeit für das Sammeln von Unterschriften. Allein die Kostenschätzung dauert nicht selten länger als ein halbes Jahr.

Wenn es zu einer solchen Regelung kommt, dann müsste zumindest die Dreimonatsfrist mindestens um die Zeit, die die Kommune für die Kostenschätzung benötigt, verlängert werden.

Anhebung der Zahl der zu sammelnden Unterschriften

Die heutigen Quoren für die Anzahl der zu sammelnden Unterschriften basieren auf den Erfahrungen, dass das Sammeln von Unterschriften und die Beteiligung an Bürgerbegehren in den Städten  und Landkreisen schwieriger ist als in den Dörfern und Kleinstädten. An den bisherigen Regelungen gab es bislang keine Kritik – sie haben sich durchweg bewährt.

Wenn jetzt die Koalition die Zahl der zu sammelnden Unterschriften insbesondere für Neumünster, Flensburg und Norderstedt um 33 Prozent (von 6% auf 8%) und in den Landkreisen sowie Kiel und Lübeck um 25 Prozent (von 4% auf 5%) anheben will, so entbehrt dies jeglicher Begründung. In keiner Kommune gab es eine Vielzahl von Bürgerbegehren, die dazu einen Grund liefern könnte.

Verlängerung der Zeit bis zur Zulässigkeitserklärung

Die geplante Verlängerung der Frist für die Zulässigkeitsentscheidung durch die Kommunalaufsicht von 6 Wochen auf 2 Monate ist nur dann akzeptabel, wenn sichergestellt wird, dass in der Zwischenzeit keine Fakten durch die Gemeinde geschaffen werden können. Deswegen sollte klargestellt werden, dass die Handlungssperre bereits mit der Einreichung des Bürgerbegehrens beginnt und nicht erst mit der Zulässigkeit. Das wäre dann eine Verbesserung.

Anhebung der Zustimmungsquoren

Auch die geplante Erhöhung des Zustimmungsquorums insbesondere für Neumünster, Flensburg und Norderstedt um 33 Prozent (von 12% auf 16%) und in Kiel und Lübeck sowie den Landkreisen um 20 Prozent (von 8% auf 10%) ist unbegründet. Es besteht dann die Gefahr, dass durch eine Mehrheit in der Ratsversammlung oder im Kreistag versucht wird, nicht den politischen Diskurs über das Anliegen des Bürgerbegehrens zu führen, sondern stattdessen versucht wird, durch Verschweigen eines Bürgerentscheides die Wahlbeteiligung möglichst niedrig zu halten und so den Bürgerentscheid unecht zum Scheitern zu bringen. Die Wahrscheinlichkeit für Diskurs-Verweigerung wird umso größer, je höher das Zustimmungsquorum ist. Außerdem sind hiervon auch stadtteilbezogene Themen einer Großstadt negativ betroffen, da an solchen Abstimmungen weniger Menschen teilnehmen.“