Stellungnahme zu "Darum ist Schleswig-Holstein in direkter Demokratie spitze"

Rolf Sörensen, Beauftragter für Bürgerbegehren von Mehr Demokratie e.V. Schleswig-Holstein nimmt Stellung zum Zeitungsartikel aus den Kieler Nachrichten vom 01.08.2021.

Wo sind die „immensen Probleme“?

Der Artikel „Darum ist Schleswig-Holstein in direkter Demokratie spitze“ in den KN vom 01.08.21 beschreibt die sehr positive Entwicklung in der Anwendung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in Schleswig-Holstein. Direkt-demokratische Verfahren sind neben dem Parlamentarismus ein ganz wesentliches Element für die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen und daher für die Erhaltung und Entwicklung der Demokratie in unserem Lande überhaupt.

Zu dieser positiven Entwicklung hat auch die erfolgreiche Volksinitiative des Vereins Mehr Demokratie e.V.  von 2011/12 beigetragen, durch die einige Verbesserungen für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in der Gemeindeordnung durchgesetzt werden konnten. Verfahren wurden vereinfacht, Hürden gesenkt und mehr Themen zugelassen.

Die Forderung des Geschäftsführers des Gemeindetages, Jörg Bülow, die

6-Wochen-Frist für Bürgerbegehren, die sich gegen den Beschluss einer Gemeindevertretung richten, wieder abzuschaffen, wäre kontraproduktiv. Denn oft ist es Initiativen nicht möglich gewesen, diese Frist einzuhalten. Es müssen die Unterschriftenlisten gestaltet werden, die Fragestellung und eine Begründung formuliert werden. Dinge, an die hohe Anforderungen gestellt und die oftmals zulassungssicher nur durch unsere Beratung und in Absprache mit der Kommunalaufsicht erstellt werden können. Das dauert dann schon mal ein paar Tage bis Wochen. Daneben muss eine Kostenschätzung von der Gemeindeverwaltung eingeholt werden. Auch das dauert zwei bis drei Wochen, manchmal auch länger. Und erst dann können die Unterschriften gesammelt werden.

Dies zeigt deutlich, dass eine 6-Wochen-Frist viele Bürgerbegehren aushebeln würde.

Auch wenn die Zahl der direktdemokratischen Verfahren in unserem Lande erfreulich zugenommen haben, so zeigt der Durchschnittswert von gerundet 17 Bürgerbegehren jährlich bei 1106 Städten und Gemeinden in Schleswig-Holstein, dass die Kommunalpolitik eher selten davon berührt wird.

 

Daher ist die Stellungnahme von Herrn Bülow nicht nachzuvollziehen. Da wir in Kontakt mit vielen Initiativen für Bürgerbegehren stehen, würde uns interessieren, in welchen Fällen es zu „immensen Problemen“ durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheide für die Kommunen in unserem Lande gekommen ist. Uns sind solche Fälle nicht bekannt. Im Gegenteil. Bürgerbegehren führen zu mehr Akzeptanz und daher zu einer Stärkung der Demokratie. Darüber sollten wir uns freuen.

 

Rolf Sörensen

Mehr Demokratie e.V., Schleswig-Holstein