Zeitungsartikel: Erfolg für „Mehr Demokratie Schleswig-Holstein“

Landesregierung muss Fakten und Kosten zum Verwaltungshandeln offenlegen

Wie laut ist es in meiner Straße? Was kostet es, wenn unser Klärwerk saniert wird? Und: Was hat das Land eigentlich für die Corona-Ticket-Agentur bezahlt? Behörden im Norden veröffentlichen seit Anfang 2020 zahlreiche Dokumente unter transparenz.schleswig-holstein.de.
Schleswig-Holstein war das dritte Bundesland, das ein solches Transparenz-Portal eingerichtet hat. Die anderen zogen entsprechend dem Informationszugangsgesetz nach. In der Vergangenheit haben Behörden Dokumente aus der öffentlichen Verwaltung nur auf Nachfrage herausgegeben und nur an den oder die Antragsteller. Jetzt wird proaktiv veröffentlicht und zwar rückwirkend bis 2017. Ziel des Projektes ist es, etwas Grundsätzliches im Verhältnis der Deutschen zu ihren Behörden zu ändern. Hierzulande gibt es traditionell ein großes Vertrauen in die Verwaltung – darauf, dass Ämter schon wissen, was sie tun. Was aber passiert, wenn man statt auf Vertrauen auf Kontrolle setzt?

Verbesserungsbedarf im Norden Netzaktivisten sehen auch im Norden noch Verbesserungsbedarf. Der Grund: Einige Informationen sind grundsätzlich von einer Veröffentlichung ausgenommen, dazu zählen etwa Angaben zu Mitarbeitern. Auch Gutachten sollen erst ab einem Auftragswert von über 10 000 Euro veröffentlicht werden, andere Verträge erst ab einem Wert von über 50 000 Euro. Neuerdings sollen auch Rechtsgutachten der Parlamentsjuristen und Steuerunterlagen nicht mehr herausgegeben werden.

Streit um Kosten für Vergabe von Impfterminen Einen Erfolg verbuchte jüngst die Initiative „Mehr Demokratie Schleswig-Holstein“. Das Land wollte die Verträge mit dem Ticketing-Anbieter Eventim geheim halten. Die Agentur – bekannt aus Ticketverkauf für große Konzertveranstaltung und der krachend gescheiterten Pkw-Maut von Andreas Scheuer – hatte in Schleswig-Holstein mehrere Monate die Vergabe von Corona-Impfterminen organisiert.
Vor Gericht knickte die Regierung nach einer Klage aber ein. Aus den Dokumenten geht hervor, dass das Land ursprünglich mit Kosten von monatlich 117 000 Euro für den Betrieb der Software und einer Telefon-Hotline rechnete – tatsächlich wurde das Projekt deutlich teurer.
Hamburg ist Spitzenreiter Im bundesweiten Vergleich steht der Norden trotzdem gut da, wie ein aktuelles Ranking der zeigt. Spitzenreiter ist demnach Hamburg. Dort macht die Verwaltung amtliche Informationen von sich aus öffentlich und kostenlos zugänglich, seitdem 2012 eine Volksinitiative für ein Transparenzgesetz erfolgreich war.
Wer von Behörden in Bayern, Sachsen und Niedersachsen Einblick in Dokumente fordert, beißt hingegen oft auf Granit. Diese Länder landeten auf dem letzten Platz, denn sie ermöglichen der Bevölkerung bisher nicht einmal auf Nachfrage, an Informationen zu gelangen.

Freiheit und Demokratie „Informationsfreiheit ist Teil eines demokratischen Staatswesens“, sagt Arne Semsrott, Projektleiter von FragDenStaat bei der „Open Knowledge Foundation“. Trotzdem gebe es immer noch Landesregierungen, die ihre Bürger komplett von der Einsicht in Verwaltungsakte ausschließen. Die nächste Bundesregierung müsse Informationsfreiheit endlich zum Standard in ganz Deutschland machen
Für das Ranking haben die „Open Knowledge Foundation“ und „Mehr Demokratie“ die Situation in den Ländern und auf Bundesebene nach sechs Kriterien bewertet: Informationsrechte – Was stellen die Behörden von sich aus zur Verfügung?, Auskunftspflichten – Was muss auf Antrag von Rundfunk, Landesbanken, Hochschulen etc. herausgegeben werden?, Antragstellung und Antwort, Ausnahmen, Gebühren sowie die Existenz und die Aufgaben eines Informationsfreiheitsbeauftragten.

Bund schlechter als viele Länder Die Regelungen auf Bundesebene liegen im Vergleich zu den Länderregeln im unteren Mittelfeld. Eine aktive Veröffentlichung von Informationen durch die Bundesbehörden findet gar nicht statt, was zum schlechten Abschneiden beim Kriterium „Informationsrechte“ führt. Insgesamt gestaltet sich der Prozess für interessierte Bürger eher mühsam, regional mit großen Unterschieden. Die Folge: „Die Spaltung der Gesellschaft nimmt zu, Fake News sind auf dem Vormarsch und Politikverdrossenheit ist allgegenwärtig. Deshalb brauchen wir mehr Transparenz auf Bundesebene und in den Ländern“, so Semsrott. Transparenz schaffe Vertrauen zwischen Regierenden und Regierten. Wichtig ist ihm, das weitgehend noch unbeachtete Gesetz bekannt zu machen – und Menschen zu ermuntern, es auch zu nutzen.

Aus dem Flensburger Tageblatt vom 31. Juli 2021