Kandidatenbefragung 2012
Hintergrundinformationen zu unseren Fragen
Bundesweite Volksentscheide
Frage 1: Sind Sie dafür, dass die Landesregierung einen Gesetzentwurf in den Bundesrat zur Einführung von Volksbegehren und Volksentscheiden sowie Referenden auf Bundesebene einbringt?
In allen Bundesländern haben die Bürgerinnen und Bürger formal die Möglichkeit, mit Volksbegehren und Volksentscheiden Landesgesetze zu beschließen. Auf der Bundesebene wird ihnen diese Möglichkeit bisher verwehrt. Eine Zweidrittelmehrheit für eine erforderliche Grundgesetzänderung ist bisher nicht zustande gekommen.
Mehr Demokratie hat 2011 in Schleswig-Holstein eine Volksinitiative mit der Aufforderung an die Landesregierung, sich im Bundesrat für bundesweite Volksbegehren und Volksentscheide sowie Referenden einzusetzen, durchgeführt. Ob Mehr Demokratie ein Volksbegehren zu diesem Thema durchführt, hängt davon ab, wie die zukünftige Landesregierung sich dazu positioniert. Mit einer Übernahme der Volksinitiative würde sich ein Volksbegehren zu diesem Thema erübrigen.
Kommunale Bürgerbegehren und Bürgerentscheide
Frage 2: Sind sie dafür, dass zukünftig, wie in neun anderen Bundesländern auch, Bauleitpläne Gegenstand von Bürgerbegehren sein dürfen?
Zu wichtigen Themenbereichen sind Bürgerbegehren in Schleswig-Holstein nach wie vor gesetzlich ausgeschlossen. So sind beispielsweise keine Bürgerbegehren zum Bau von Straßen und Gebäuden möglich.
Mehr Demokratie meint, dass die Bürgerinnen und Bürger auch Bürgerbegehren zu Bebauungsplänen und Stellungnahmen zu Planfeststellungsverfahren durchführen dürfen sollten. Die Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass das Interesse der Bürger groß ist, vor allem auch über Bauprojekte mitzubestimmen. In den Bundesländern, in welchen die Bauleitplanung zulässig ist, werden überdurchschnittlich häufig Bürgerbegehren zu diesem Themenbereich durchgeführt.
Frage 3: Sind Sie für eine Abschaffung des Zustimmungsquorums bei Bürgerentscheiden?
Beim Bürgerentscheid entscheidet anders als bei Wahlen nicht ausschließlich die Mehrheit derjenigen, die sich an der Abstimmung beteiligen, sondern muss diese Mehrheit auch zusätzlich 25 Prozent aller Wahlberechtigten entsprechen.
Bisher kommt das Land Hamburg ohne Quorum beim Bürgerentscheid aus. Die Länder Sachsen und Bayern kennen kein Quorum bei landesweiten Volksentscheiden. Das Unterschriftenquorum beim Bürgerbegehren sorgt generell dafür, dass nur relevante Sachfragen zur Abstimmung gelangen.
Mehr Demokratie spricht sich generell gegen Quoren bei Abstimmungen (nicht bei der Unterschriftensammlung!) aus. Die Mehrheit der Abstimmenden sollte entscheiden.
Frage 4: Sind Sie für die Abschaffung des Kostendeckungsvorschlags?
Initiativen sind verpflichtet, die Deckung der Kosten, die sich aus der Umsetzung eines Bürgerbegehrens ergeben, auf der Unterschriftenliste anzugeben. Ist diese Angabe nach Ansicht der Kommunalvertretung fehlerhaft bzw. nicht ausreichend, so wird das Bürgerbegehren für unzulässig erklärt. Davon wurde in der Vergangenheit häufiger Gebrauch gemacht.
Mehr Demokratie spricht sich gegen einen zwingenden Kostendeckungsvorschlag aus. Die Initiativen sind oftmals überfordert, da ihnen keine relevanten Informationen vorliegen. Widersprüchlich dabei ist, dass die Bürger keinerlei direkten Einfluss auf die Aufstellung des Gemeindebudgets haben, da dies nämlich die ausschließliche Kompetenz der Kommunalvertretung ist. Andererseits verlangt man von ihnen aber einen sinnvollen Vorschlag zur Deckung der Kosten, an den die Kommunalvertretung jedoch bei der Umsetzung des Bürgerbegehrens nicht gebunden ist.
Frage 5: Sind Sie für die Möglichkeit eines Alternativvorschlags der Gemeindevertretung bei einem Bürgerentscheid über eine Vorlage aus der Bürgerschaft?
Zurzeit besteht nicht die Möglichkeit, dass die Kommunalvertretung den Bürgerinnen und Bürgern einen eigenen Vorschlag zur Abstimmung vorlegt. Sie hat lediglich die Möglichkeit, das Anliegen der Initiative vollständig zu übernehmen bzw. einen Kompromiss mit der Initiative auszuhandeln. Ein Bürgerentscheid würde dann entfallen.
Mehr Demokratie meint, dass auch die Gemeindevertreter die Möglichkeit haben sollten, Ideen oder Kompromissvorschläge alternativ zur Abstimmung zu stellen. Die Bürgerinnen und Bürger können dann wählen zwischen dem Vorschlag der Initiative und dem der Gemeindevertretung.
Landesweite Volksbegehren und Volksentscheide
Frage 6: Sind Sie neben der Amtseintragung bei Volksbegehren für die zusätzliche Einführung der freien Unterschriftensammlung, so wie es u. a. auch in Hamburg möglich ist?
Zurzeit können die Bürgerinnen und Bürger ein Volksbegehren nur unterstützen, indem sie ihre Unterschrift auf einem Amt leisten. Zusätzlich besteht eine Möglichkeit für die Initiative, weitere Eintragungsräume in den Kommunen zu beantragen. In neun Bundesländern besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass Volksbegehren mit Unterschriftenlisten frei auf der Straße, auf Veranstaltungen oder im Bekanntenkreis gesammelt werden können.
Mehr Demokratie setzt sich für die Einführung der freien Sammlung ergänzend zur Amtseintragung ein. Direkte Demokratie lebt von der Diskussion auf der Straße. Die ausschließliche Eintragung auf den Ämtern mindert in erheblichem Maße die Erfolgschance von Volksbegehren, was unter anderem dazu geführt hat, dass es in Schleswig-Holstein bisher nur zwei erfolgreiche Volksbegehren gab.
Frage 7: Sind Sie dafür, dass die Bürger auch Volksbegehren initiieren dürfen, die sich auf den Landeshaushalt auswirken?
Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2000 für Schleswig-Holstein festgestellt, dass nach der geltenden Rechtslage Volksbegehren, die sich auf den Landeshaushalt auswirken, unzulässig sind. In anderen Bundesländern wie beispielsweise Berlin oder Sachsen darf lediglich der Haushalt als Ganzes nicht Gegenstand eines Volksbegehrens sein.
Mehr Demokratie ist der Ansicht, dass sich Volksbegehren auch auf den Haushalt auswirken dürfen sollten. Auch vom Landtag beschlossene Gesetze sind selten ohne finanzielle Auswirkungen. In Berlin und Sachsen ist lediglich das Haushaltsgesetz von Volksbegehren ausgenommen. So bleibt die Budgethoheit des Landtages gewahrt.